Am 30.03.2023 fand im Rheinischen Landestheater Neuss der Fachtag zum Thema Audience Development statt. Rund 60 Theatermacher*innen, Gastspielveranstalter*innen sowie ehrenamtlichen Vorstände von Kulturvereinen aus NRW-Kommunen sind der Einladung gefolgt und haben über mögliche Lösungsansätze diskutiert.
Anlass für den Fachtag war die Vorstellung der Ergebnisse der digitalen Besucherumfrage. Diese wurde im vergangenen Jahr vom Büro der Landestheater NRW und dem Software Innovation Campus Paderborn der Universität Paderborn (SICP) mit dem Ziel konzipiert, den zahlreichen Theaterhäusern im Land eine unkompliziert nutzbare Hilfestellung zur genaueren Analyse ihres Theaterpublikums zu geben. Der Befragungszeitraum war vom 15. August bis zum 31. Oktober 2022. Rund 30 Häuser haben das kostenfreie Angebot wahrgenommen und damit insgesamt über 5.500 Menschen erreicht. Ein besonderer Fokus der Umfrage lag dabei auf weiterführenden Erklärungen rund um den pandemiebedingten Besucherrückgang sowie mögliche Rückgewinnungsmaßnahmen.
„Die Atmosphäre auf dem Fachtag war sehr konstruktiv“, fasst Victoria Waldhausen, vom Büro der Landestheater NRW, den Tag zusammen. „Man hat den Wunsch gespürt, gemeinsam Antworten auf die Frage zu finden, wie die Theater Menschen für ihr wirklich gutes Angebot begeistern können. Der Fachtag hat die Möglichkeit geben, sich direkt auszutauschen und den ein oder anderen Denkanstoß mitzunehmen.“
HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN STANDEN ZUR DISKUSSION
Vorgestellt wurden die Ergebnisse der Umfrage und die daraus abgeleiteten Handlungsempfehlungen von Dr. Christoph Weskamp vom SICP, der Studie wissenschaftlich begleitet hat. Vorne weg: Die einzelnen Spielstätten genießen einen großen Rückhalt und Ansehen bei ihrem Publikum. Der NRW-weite so genannte Net Promoter Score liegt bei 34,15 %[1].
Erfreulicherweise konnte Dr. Christoph Weskamp auch berichten, dass knapp 75 Prozent der Befragten angaben, das Angebot der Kulturstätte erneut wahrnehmen zu wollen. Als Hauptgründe für einen Theaterbesuch wurden „Unterhaltung“, „Interesse am Stück“, „Wunsch eine*n bestimmte*n Künstler*in zu sehen“, „Atmosphäre im Theater“ und „Gemeinschaftserlebnis“ genannt. Nach dem Vortrag von Dr. Weskamp hatte das Publikum die Möglichkeit Fragen zu stellen. Im Zentrum dieses Austausches stand die Nutzung von Social Media, um auch mehr Nicht-Besucher*innen erreichen zu können. Wieder wurden die Schwierigkeiten der Programm- und Bespieltheater deutlich, Inhalte für die sozialen Medien zu generieren. (Das Büro der Landestheater bietet hier Unterstützung durch so genannte Marketing-Pakete an.)
Landestheater-NRW_Besucherumfrage_Altersvergleich_Informationskanaele
In der Podiumsdiskussion mit dem Titel Vom Balkendiagramm zum Maßnahmenkatalog – Wie nutze ich die Ergebnisse für meine Arbeit? tauschten sich Anja Bauer (Stadthalle Delbrück), Sven Graf (Teo Otto Theater Remscheid), Klaus Dykstra (Kulturservice Rheine) und Georg Heckel (Landestheater Detmold) darüber aus, welchen Einfluss die Ergebnisse auf ihre Spielstätte haben. Der Wunsch der Teilnehmer*innen der Umfrage nach "erheiterndem" Programm wurde genauso besprochen wie die Bedeutung, das Theater durch besondere Aktionen in die Stadt zu tragen und so Nicht-Besucher*innen das Angebot näher zu bringen. Solche Aktionen können Open Air-Veranstaltungen oder ein Stand auf dem Stadtfest o.ä. sein. Auch hier wurde die Diskussion geöffnet, sodass sich das Publikum einbringen konnte.
HERAUSFORDERUNG: NICHT-BESUCHER*INNEN ZU ERREICHEN
Bei der Konzipierung der Beuscherumfrage war allen Beteiligten wichtig, auch ehemalige und Nicht-Besucher*innen befragen zu wollen. Dass dies eine große Herausforderung werden würde, war allen klar:
„Wir hatten uns das Ziel gesetzt, mit der Umfrage möglichst viele Menschen anzusprechen. Neben den ,treuen‘ Zuschauer*innen gibt es noch die sehr relevanten Gruppen der ehemaligen und Nicht-Besucher*innen“, so Dr. Christoph Weskamp. „In der Analysephase war es uns wichtig für jede dieser Gruppe die Wünsche, Bedürfnisse und Erwartungen an die Spielstätte herauszuarbeiten, um die einzelnen Gruppen möglichst genau zu verstehen und im nächsten Schritt Empfehlungen für konkrete Maßnahmen ableiten zu können.“
Die Auswertung der Umfrage hat gezeigt, dass die Gruppe der Nicht-Besucher*innen zwar schwer zu erreichen ist, hier allerdings durchaus Potenzial schlummert. Die Hälfte der befragten Nicht-Besucher*innen gab an, entweder „nicht über Kulturveranstaltungen als potenzielle Freizeitaktivität nachzudenken“ oder „nicht zu wissen, was im Theater gezeigt wird“.
Die Besucher*innen des Fachtags tauschten sich in einer Workshopphase intensiv über Ideen zur Ansprache dieser Personen aus. Vorgeschlagen wurde die Arbeit mit ehrenamtlichen Kulturbotschafter*innen. Hier gibt es bereits gute Erfahrungen. Jedoch ist die Betreuung von Kulturbotschafter*innen recht zeitintensiv. Doch kann sich der Einsatz durchaus lohnen: Kulturbotschafter*innen können langfristig als Gesichter des Hauses aufgebaut werden und als Botschafter*innen der Spielstätte in der Stadt fungieren. Auch durch Kooperationen zwischen Vereinen oder der Stadtverwaltung und der Spielstätte können neue Besucher*innen gewonnen werden. Einig sind sich die Theatermacher*innen und Gastspielveranstalter*innen darin, dass so genannte Randangebote gestärkt werden müssen. Dabei kann es sich um Feste handeln, aber auch die Öffnung des Foyers als Begegnungsstätte.
REGELMÄSSIGER EINSATZ DER DIGITALE BESUCHERUMFRAGE
Die digitale Besucherumfrage wurde genauso wie der Fachtag Audience Development durch das Büro der Landestheater NRW, mit Unterstützung des nordrhein-westfälischen Ministeriums für Kultur und Wissenschaft und in Kooperation mit dem Software Innovation Campus Paderborn der Universität Paderborn entwickelt und durchgeführt. Darüber hinaus wurden beide Projekte vom Kultursekretariat NRW Gütersloh und der INTHEGA – Fachverband der Gastspielbranche unterstützt.
Die Besucherumfrage ist so konzipiert, dass sie voraussichtlich alle zwei Jahre wiederholt werden kann. So lassen sich die möglicherweise von den Programm- und Bespieltheatern ergriffenen Maßnahmen evaluieren, Erfolge nachhalten und weiterer Handlungsbedarf erkennen. Selbstverständlich werden die Fragen der Besucherumfrage vor einem nächsten Einsatz besonders mit Blick auf aktuelle (gesellschaftliche) Entwicklungen überprüft und gegebenenfalls angepasst.
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PROGRAMM
10.30 Uhr EMPFANG
11.00 Uhr BEGRÜSSUNG im Foyer
11.05 Uhr GRUSSWORT
Dr. Michael Reitemeyer, Gruppenleiter im Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen
11.15 Uhr VORTRAG
Ergebnisse der Besucherumfrage - Erwartungen von Besucher*innen besser verstehen
Dr. Christoph Weskamp, SICP – Software Innovation Campus Paderborn – Universität Paderborn
11.45 Uhr PODIUMSDISKUSSION
Vom Balkendiagramm zum Maßnahmenkatalog – Wie nutze ich die Ergebnisse für meine Arbeit?
mit Sven Graf, Künstlerischer Leiter Teo Otto Theater Remscheid
Anja Bauer, Geschäftsführerin Delbrücker Betriebsführungs- und Stadthallen GmbH
Klaus Dykstra, Leiter Kulturservice Stadt Rheine
Georg Heckel, Intendant Landestheater Detmold
13.15 Uhr PAUSE mit Catering
14.30 Uhr ARBEITSGRUPPEN im Foyer
16.00 Uhr PAUSE
16.15 Uhr VORSTELLUNG DER ARBEITSERGEBNISSE & DISKUSSION im Foyer
17.00 Uhr DANK & VERABSCHIEDUNG
Moderation: Chadia Hamadé
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[1] Erklärung & Interpretation des Net Promoter Scores: Eine Kennzahl, die (hier) misst, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass die befragten Besucher*innen die jeweilige Spielstätte weiterempfehlen.
Der Wertebereich liegt zwischen -100 und 100. Ein Wert von 0 gilt als „gut“, ein Wert von +50 als „exzellent“ und ein Wert von +70 als „weltklasse.“