"Jenseits des Echos - Ein ukrainisches Tagebuch": Hochaktuelle Premiere am Westfälischen Landestheater

Foto: Volker Beushausen

24. Mai 2022

 

Charkiw, mit 1,5 Millionen Menschen die zweitgrößte Stadt der Ukraine, liegt im Nordosten des Landes nur knapp 40 Kilometer von der russischen Grenze entfernt. In der Nähe dieser Stadt lebt Olesia Iavorska mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern, die drei und acht Jahre alt sind. Als der Krieg ausbricht, bleibt die Familie zunächst dort. „Am ersten Tag glaubte ich noch an ein Missverständnis. Ein Albtraum, aus dem wir morgen erwachen. Am zweiten Tag dachte ich schon, dass sie uns töten werden. Es war schlimm, in der Mitte der Ereignisse zu sein, ohne zu wissen, was passiert oder wer kommt. Man wird bombardiert und erfährt nichts“, berichtet Olesia Iavorska über den Kriegsbeginn.

Nach zehn Tagen ist die Lebensgefahr so groß, dass sie mit ihren Kindern quer durchs Land flieht. Ihren Mann muss sie zurücklassen. Die Kriegstage in Charkiw und die Tage der Flucht hat Olesia Iavorska in ihrem Tagebuch dokumentiert. Dazu hat sie offizielle Nachrichten, Chatverläufe mit Freund*innen und Berichte der Erlebnisse anderer Menschen zusammengetragen. Die Texte hat Olesia Iavorska dem Westfälischen Landestheater zur Verfügung gestellt. „Ich freue mich über die Möglichkeit, dieses Theaterstück zu realisieren. Bei Nachrichten, die man im Fernsehen verfolgt, ist immer ein Bildschirm dazwischen, der eine Distanz zu den Bildern erzeugt. Das Theater bietet immer eine unmittelbare Nähe“, so Olesia beim Probenstart, bei dem die Ukrainerin offen und berührend über ihre Erlebnisse sprach. „Charkiw ist eine russischsprachige Stadt, nun will aber keiner mehr dort Russisch sprechen. Ich denke, dass Putin erwartet hat, dass wir ihn willkommen heißen, aber das Gegenteil ist der Fall. Der Krieg hat die Ukrainer noch näher zusammengebracht. Am ersten Tag des Krieges war die Schlange zum Blutspenden länger als vor den Lebensmittelgeschäften.“

 

Die Inszenierung von „Jenseits des Echos – Ein ukrainisches Tagebuch“ übernimmt Dramaturg Christian Scholze, der die Ukrainerin persönlich kennt und den Kontakt hergestellt hat. Für die Ausstattung ist Anja Müller zuständig.

„Neben der geradezu überwältigenden Aktualität ist das Besondere an diesem Text, dass er die Situation einer Familie beschreibt, die den furchtbaren Kriegserlebnissen ausgesetzt ist. Während wir in der Regel in den Nachrichten allgemeinere Informationen zum Geschehen bekommen, haben wir hier eine andere Perspektive“, sagt Christian Scholze über den Text und fügt an: „Mit großer Offenheit und Authentizität berichtet die Autorin von ihren Ängsten um ihr Leben, der Verzweiflung angesichts der Verantwortung den Kindern gegenüber (“Sie müssen doch älter als drei und acht Jahre alt werden.”) und auch der Kraft, die es ihr ermöglicht allen Katastrophen zum Trotz quer durchs Land zu fliehen, um sie zu retten.“
 

Das Stück wird gefördert von der Landeszentrale für politische Bildung.

 

Die Premiere findet am Freitag, 27. Mai 2022 um 20 Uhr im Studio Castrop-Rauxel statt.